https://agrarbericht.bayern.de/landwirtschaft/vorbeugender-hochwasserschutz.html

Vorbeugender Hochwasserschutz

Zunehmende Starkregenereignisse und immer wieder auch Sturzfluten mit zum Teil katastrophalen Folgen wie 2016 in Simbach am Inn verdeutlichen die hohe Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, auch durch Wasserrückhalt bzw. einen gebremsten Wasserabfluss in der Fläche. Sie veranschaulichen ebenfalls, wie wichtig der Erosionsschutz auf landwirtschaftlichen Flächen ist. Neben den Starkregenereignissen bleiben aber auch Hochwasserereignisse aus lang anhaltenden, intensiven Niederschlägen eine Gefahr, wie das Hochwasser im Sommer 2022 im Ahrtal gezeigt hat. Auch Bayern war zuletzt Ende Mai 2024 von massiven Hochwasserschäden betroffen. Die Staatsregierung agierte schnell und konnte innerhalb kürzester Zeit ein Hilfsprogramm auf die Beine stellen, welches den Betroffenen schnell und unkompliziert Soforthilfen bereitstellen konnte. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit dem Überlastfall wichtig – also Extremereignisse, bei denen auch Hochwasserschutzanlagen nicht mehr vor dem Hochwasser schützen können – und damit auch die Abkehr vom rein technischen Hochwasserschutz, hin zum Hochwasserrisikomanagement.

Maßnahmenpaket „Vorbeugender Hochwasserschutz durch Wasserrückhalt in der Fläche“

Das Maßnahmenpaket des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF) lässt sich in folgende Maßnahmengruppen zusammenfassen:

  • Vermeidung von schnellem Abfluss des Oberflächenwassers,
  • Wasserablaufverzögerung in Gräben und Tieflinien,
  • Verzögerung des Abflusses von Bodenwasser,
  • Schaffung gewässerbegleitender Retentionsflächen,
  • Schaffung von Retentions- bzw. Sedimentationsflächen für wild abfließendes Wasser- und Bodenmaterial in der landwirtschaftlichen Flur sowie
  • Hochwasserrückhaltung durch waldbauliche Maßnahmen.

Diese Maßnahmen können in Projekten und Initiativen der Ländlichen Entwicklung, bei waldbaulichen Maßnahmen und im Rahmen einzelbetrieblicher Maßnahmen im Rahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogrammes bzw. des Bayerischen Vertragsnaturschutzprogrammes gefördert und umgesetzt werden.

Die Flurneuordnung wird gezielt eingesetzt, um Rückhaltekonzepte in einem größeren Umfang in Zusammenarbeit mit der Wasserwirtschaftsverwaltung und den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern zu realisieren. Als wichtiger Baustein der Hochwasserschutzstrategie der Bayerischen Staatsregierung besteht eine Förderung zum Wasserrückhalt in der Fläche und für Gewässer dritter Ordnung. Dort, wo die Kommunen für den Ausbau und die Unterhaltung an Gewässern zuständig sind, fördert der Freistaat Bayern vertreten durch die Wasserwirtschaftsverwaltung Konzepte und Projekte des Hochwasserschutzes sowie der Gewässerrenaturierung im Rahmen der Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas). Der Schwerpunkt des Beitrags der Ländlichen Entwicklung liegt im Einsatz eines flächendeckenden Flächenmanagements (Landzwischenerwerb und gezielte Bodenordnung) sowie in der Finanzierung von naturnahen Maßnahmen im Umfeld der Gewässer dritter Ordnung und der dezentralen Wasserrückhaltung in der Fläche. Auch die Initiative boden:ständig bei den Ämtern für Ländliche Entwicklung ermöglicht kleinräumigen aber effektiven Wasserrückhalt, im Konsens zwischen den Akteuren (Gemeinde, Eigentümer, Bewirtschafter) vor Ort. Die Umsetzung erfolgt durch Flurneuordnung, Dorferneuerung und durch das Förderinstrument FlurNatur.

Die Gewässerschutzberatung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten berät die Betriebe bei der Planung und Umsetzung von Erosionsschutzmaßnahmen auf der Fläche. Dabei sind der Erhalt einer gesunden Bodenstruktur sowie gezielte erosionsmindernde Maßnahmen wichtige Ansatzpunkte. Seit 2023 bietet die geänderte Bayerische Erosionsschutzverordnung erweiterte Möglichkeiten, die Synergien zu den Konditionalitäten der GAP ab 2023 mit zu nutzen.

Auch stabile, naturnahe Mischwälder leisten einen Beitrag für den Hochwasserschutz. Der oberflächliche Wasserablauf ist geringer und erfolgt langsamer als bei anderen Landnutzungsformen. Waldböden speichern in hohem Maße Niederschläge an Ort und Stelle. Waldbäche sind in der Regel nicht begradigt und fließen sehr langsam. Bach- und flussbegleitende Auwälder ertragen nicht nur problemlos auch längere Überschwemmungen und sorgen wie ein Zwischenspeicher für einen langsamen Abfluss, sondern weisen besonders in der Hartholz-Aue auch einen guten Zuwachs an wertvollem Holz auf. Da bei Hochwasser keine oder nur geringe wirtschaftliche Schäden entstehen, sind standortgemäße Auwälder eine landeskulturell, ökonomisch und ökologisch ideale Form der Landnutzung in Überschwemmungsbereichen.

Wichtige Maßnahmen zum Erhalt oder Ausbau dieser Schutzfunktionen sind z. B.

  • die Waldmehrung, v. a. in gering bewaldeten Regionen und Überflutungsbereichen unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Überschwemmungsgebiet,
  • die Erhaltung der Waldfläche allgemein,
  • der Umbau von Nadelbaum-Reinbeständen in klimastabile, naturnahe Mischwälder,
  • die Schutzwaldpflege und -sanierung im Hochgebirge,
  • im Staatswald die Revitalisierung von Auwäldern, Renaturierung von Mooren sowie Anlage von Tümpeln und Feuchtbiotopen.

Im Berichtszeitraum wurde die Umsetzung der im Bayerischen Klimaschutzprogramm vorgesehenen Maßnahmen zur Waldumbauoffensive 2030 (Ziel: 200 000 ha bis 2030; Stand Ende 2023: rd. 100 000 ha) und zur Stabilisierung des Bergwaldes (Bergwaldoffensive) weitergeführt. Diese kommen unmittelbar auch dem Hochwasserschutz zugute.

Ferner beraten die Forstbehörden die Waldbesitzer in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, wie sie sich vor Schäden schützen, den Lebensraum Auwald erhalten und zum Hochwasserschutz der Unterlieger beitragen können. Hierzu wurden Beratungs- und Informationsgrundlagen erarbeitet.

Nachhaltiger Hochwasserschutz

Die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass sich der von der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung geplante und ausgeführte Hochwasserschutz bewährt hat, aber auch langfristig konsequent fortgesetzt werden muss.

Nach katastrophalen Überflutungen im Jahr 2013 hatte die Staatsregierung beschlossen, die Anstrengungen im Hochwasserschutz weiter zu forcieren und den Schutz der Menschen in Bayern vor den Naturgewalten noch schneller zu verbessern. Die bewährte bayerische Hochwasserschutzstrategie aus dem Jahr 2000 wurde zu einem Aktionsprogramm Hochwasserschutz 2020plus (AP 2020plus) erweitert und neu ausgerichtet. Die Widerstandsfähigkeit der Hochwasserschutzanlagen gegen Extremereignisse wird erhöht und systemrelevante Deiche sollen grundsätzlich mit Dichtwänden nachgerüstet werden. Wo möglich und sinnvoll, sollen sie auch auf Überströmung ausgelegt und dafür statisch ausreichend bemessen werden. Weiterhin werden die verbleibenden Risiken intensiv betrachtet und auch das Rückhaltekonzept überarbeitet. Ein bayernweites System gesteuerter Flutpolder soll bei Hochwasserereignissen, bei denen eine Überlastung von Hochwasserschutzanlagen zu erwarten ist, Handlungsoptionen bieten und den Schaden begrenzen. Das Ende des Jahres 2020 ausgelaufene AP 2020plus wird ab dem Jahr 2021 als Säule 1 des Bayerischen Gewässeraktions-Programms PRO Gewässer 2030 fortgeschrieben und fortgeführt.

Die Interessen der Landwirte und Waldbesitzer wurden bislang durch die im Jahr 2013 an den Regierungen eingerichteten „Gruppe Landwirtschaft und Forsten – Hochwasserschutz“ (GLF) kompetent in den Planungsprozess und bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen eingebracht. Seit Ende 2018 wurde dieser Bereich verstetigt durch Bildung eines neuen Bereichs 6 – Landwirtschaft und Ernährung an den Regierungen. Die bisherigen Aufgaben der GLF und weitere werden nun vom Sachgebiet 60 – Agrarstruktur und Umweltbelange in der Landwirtschaft wahrgenommen.