Naturschutz und Biodiversität
Der Erhalt und die Förderung der Biodiversität und der Schutz der Natur sind die Grundlage stabiler Ökosysteme. Die Land- und Forstwirtschaft sind unverzichtbare Partner, wenn es darum geht, kulturlandschaftlich geprägte Lebensräume zu pflegen und die Biodiversität zu fördern.
Der Rückgang der Biodiversität stellt ein Risiko für die Stabilität und Funktionsfähigkeit unserer Öko- und Agrarökosysteme dar. Als wesentliche Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt nennt der Fortschrittsbericht zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
- die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft,
- die Versiegelung von Flächen und den Verlust von naturnahen Flächen,
- Stoffeinträge aus der Atmosphäre und die Veränderung des Klimas,
- die gestiegene Freizeitnutzung der Landschaft und
- die intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Flächen.
Der Farmland-Bird-Index (FBI) ist ein Indikator für Biodiversität und Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Er bezieht zehn Vogelarten (Rebhuhn, Kiebitz, Rauchschwalbe, Feldlerche, Wiesenschafstelze, Wiesenpieper, Braunkehlchen, Neuntöter, Goldammer und Bluthänfling) ein, die spezifisch dem Lebensraumtyp „Agrarland“ zugeordnet werden können. Die Bestände dieser charakteristischen Vogelarten sind in den vergangenen 40 Jahren deutlich zurückgegangen. In den letzten 12 Jahren (Betrachtungszeitraum: 2010 bis 2021) hat sich der FBI-Bayern auf niedrigem Niveau stabilisiert. Eine Trendumkehr ist nicht erkennbar.
Farmland-Bird-Index Bayern
10 Arten, in Prozent – Schaubild 30 in höherer Auflösung
Forschung, die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen (AUM), Beratung sowie gezielte Projekte und gesetzliche Rahmenbedingungen sind wichtige Instrumente zum Erhalt der Biodiversität. Mit den Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ wurden im Jahr 2019 weitere rechtliche Vorgaben festgelegt. Die Etablierung einer Biodiversitätsberatung an den unteren Naturschutzbehörden sowie die Ausweitung der Wildlebensraumberatung auf alle Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) unterstützen die landwirtschaftliche Praxis bei der Umsetzung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen.
Forschung
Die Wirkung von AUM auf die Biodiversität wurde und wird im Hinblick auf Fauna in Forschungsprojekten untersucht und optimiert. Laufende Vorhaben untersuchen die Wirkung von Gewässerrandstreifen und Maßnahmen in Grünlandlandschaften auf Insekten und Spinnen.
Die Wirkung von Gewässerschutzstreifen an kleineren Gewässern (AUM B32 bis B34) auf Insekten ließen im Ergebnis klare Synergien zwischen dem Schutz der Gewässer und der Biodiversität feststellen: Bei Vorhandensein eines Grünstreifens am Gewässer wurden im Mittel eine um 40 % höhere Insektenbiomasse und 16 % mehr Arten entdeckt, wobei die Schmetterlinge besonders stark von einem Streifen profitierten.
Die Ergebnisse zur Wirkung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) auf die Insektenvielfalt im Grünland in vier Regionen (Bayerischer Wald, Ostallgäu, Chiemgau, Vorderer Oberpfälzer Wald) zeigen bislang, dass die einzelnen Insektengruppen unterschiedlich auf AUM-Maßnahmen im Grünland reagieren. Bei der Gesamtartenzahl zeigen sich positive Effekte durch ein komplexes Zusammenspiel von Bewirtschaftungs- und Landschaftsfaktoren. Vor allem die Bestäuber wie Schwebfliegen, langzungige Wildbienen und Tagfalter profitieren von einer flächenbezogenen AUM im Grünland und traten dort in einer höheren Artenvielfalt auf.
Am neuen Standort der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Ruhstorf an der Rott werden innovative, umweltverträgliche und an den Klimawandel angepasste landwirtschaftliche Anbauverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Biodiversität untersucht und weiterentwickelt.
Grünland-Monitoring Bayern
Mit dem Projekt „Grünlandmonitoring Bayern“ wird eine flächendeckende und detaillierte Datenbasis zur bayerischen Grünlandvegetation geschaffen. Daraus geht u. a. hervor, dass auf unseren Wiesen durchschnittlich ca. 20 Pflanzenarten (pro 25 m2) gefunden werden können. Außerdem wurde ermittelt, dass auf Grünlandschlägen, auf denen Maßnahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogrammes (KULAP) sowie insbesondere des Vertragsnaturschutzprogrammes (VNP) durchgeführt werden, höhere Artenzahlen auftreten als auf Schlägen außerhalb dieser Programme. Der zweite Erhebungsdurchgang zeigte, dass die Artenzahlen nochmals zunehmen, wenn die Maßnahmen über mehr als eine Förderperiode beibehalten werden. Auch für den dritten Erhebungsdurchgang (2018 bis 2020) liegt inzwischen der zusammenfassende Ergebnisband in der LfL-Schriftenreihe vor. Es bestätigt sich wiederum, dass die meisten KULAP-Maßnahmen zu höherer Vielfalt der Gefäßpflanzen-Arten führen.
Förderprogramme
Im Rahmen des Verantwortungsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF) befindlichen Angebots an AUKM gibt es flächenbezogene Maßnahmen, wie z. B. die gesamtbetriebliche Förderung des ökologischen Landbaus.
Im KULAP werden darüber hinaus betriebszweigbezogen Maßnahmen für eine extensivere Bewirtschaftung von Flächen oder eine vielfältigere Fruchtfolgegestaltung angeboten. Einzelflächenbezogene Maßnahmen, zum Beispiel zum Verzicht auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz oder zur insektenschonenden Mahd von Futterflächen runden das Förderangebot ab. Für die neue EU-Förderperiode ab 2023 wurde das Angebot an AUKM gezielt erweitert, bestehende Maßnahmen wurden attraktiver ausgestaltet und/oder vereinfacht. Im Bereich der Biodiversität besonders hervorzuheben ist im KULAP die Anlage von Blühflächen, die im Jahr 2023 auf insgesamt rd. 19 000 ha Lebensräume für Wildtiere und Insekten in ackerdominierten Agrarlandschaften boten. Ebenso wichtig sind in diesem Zusammenhang die extensive Bewirtschaftung von Grünland mit Schnittzeitpunktauflagen, aber auch der Erhalt und die Pflege von Hecken und Feldgehölzen sowie Streuobstbäumen. Mit der Förderung von Wildpflanzenmischungen wird erstmals eine blühende Alternative zur Erzeugung von Energie aus Silomais unterstützt. Auf Grünland- und Ackerfutterflächen wird es finanziell honoriert, wenn Landwirte für die Mahd auf insektenschonendere Balkenmessermähwerke setzen.
Die Ökoregelungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ab 2023 umfassen auch Maßnahmen mit positiven Auswirkungen auf die Biodiversität, die von den Betrieben gezielt platziert und umgesetzt werden können.
Mit dem Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm fördert das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) den Erhalt ökologisch wertvoller Lebensräume, etwa die extensive Ackernutzung für Feldbrüter und Ackerwildkräuter, die extensive Mähnutzung naturschutzfachlich wertvoller Lebensräume oder die Förderung ökologisch wertvoller Teiche mit Verlandungszone.
Im Rahmen der Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinien (LNPR) werden insbesondere Maßnahmen der Pflege, Wiederherstellung und Neuschaffung ökologisch wertvoller Lebensräume gefördert. Die Maßnahmen dienen insbesondere dem Aufbau des europäischen Schutzsystems Natura 2000 und des bayerischen Biotopverbunds BayernNetzNatur sowie der Umsetzung der bayerischen Biodiversitätsstrategie.
Qualifizierung zum geprüften Natur- und Landschaftspfleger
Die Fortbildung zum Geprüften Natur- und Landschaftspfleger oder zur Geprüften Natur- und Landschaftspflegerin ist eine Zusatzqualifikation für gut ausgebildete Fachkräfte im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege. Grundlage ist ein Berufsabschluss in einem „grünen“ Ausbildungsberuf, z. B. als Landwirt, Gärtner, Winzer oder Forstwirt sowie eine dreijährige Berufserfahrung.
Projekte
Projekt „Erfassung der Entwicklung ausgewählter Arten in den Wildlebensraum Modellgebieten“
Als zentraler Baustein der WLB in der Beratung und Öffentlichkeitsarbeit wird in jedem AELF-Dienstgebiet ein Wildlebensraum-Modellgebiet etabliert. Die Modellgebiete mit Best-Practice-Charakter sollen Vorbild für weitere Initiativen in den Dienstgebieten sein. Um die Entwicklung der Wildlebensraum-Modellgebiete (WL-Modellgebieten) zu dokumentieren und wissenschaftlich zu begleiten, werden seit 2023 in den Wildlebensraum-Modellgebieten ausgewählte Beispielsarten regelmäßig beobachtet. Der Fokus liegt auf den typischen Arten der offenen Agrarlandschaft, die unterschiedliche Lebensraumansprüche und Skalenebenen widerspiegeln. Erfasst werden ausgewählte Vogelarten, Tagfalter, höhlenbrütende Wildbienen und andere Fluginsekten in ausgewählten Gebieten, der Feldhasenbestand und Kennarten der Acker und Grünlandvegetation.
Wiesenmeisterschaft Bayern
Die Wiesenmeisterschaft ist ein von der LfL und dem BUND Naturschutz in Bayern e. V. durchgeführter Wettbewerb, der die Leistungen und das Engagement der Landwirte für die Erhaltung artenreichen Wirtschaftsgrünlandes auszeichnet und einer breiten Öffentlichkeit vorstellt. Prämiert werden Landwirtinnen und Landwirte, die den Aufwuchs arten- und blütenreicher Wiesen im eigenen Betrieb nutzen. Sie erbringen eine besonders wertvolle Leistung für die Allgemeinheit und gestalten so eine attraktive Kulturlandschaft mit.
Im Jahr 2023 fand die Wiesenmeisterschaft in bisheriger Weise in den Ökomodellregionen „Amberg-Sulzbach“ und „Neumarkt“ statt, im Jahr 2024 wird sie im Landkreis Ostallgäu stattfinden.
Hier finden Sie weitere Informationen zur Wiesenmeisterschaft Bayern.
Auszeichnung „Bayern blüht – Naturgarten“
Um die Biodiversität und damit die Artenvielfalt in Haus- und Kleingärten zu erhöhen, wurde bereits im Jahr 2018 die Zertifizierung von Privatgärten als „Bayern blüht – Naturgarten" initiiert. Zunächst als Pilotprojekt in Niederbayern gestartet, wurde das Projekt aufgrund des Erfolgs im Jahr 2020 auf ganz Bayern ausgeweitet. Gemeinsam mit der Bayerischen Gartenakademie an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) und der Landesvereinigung Gartenbau Bayern e. V. wurden Kriterien für die Naturgartenzertifizierung erarbeitet und inzwischen über 400 Jurorinnen und Juroren geschult.
Die Abwicklung und Organisation der Naturgartenzertifizierung ging im Jahr 2021 vollständig an die Landesvereinigung Gartenbau Bayern e. V. über. Das StMELF unterstützt die Gartenzertifizierung weiterhin fachlich über die LWG.
Gärten sollen vielfältig und möglichst biologisch werden. Damit tragen sie einen großen Teil zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Um die Auszeichnung „Bayern blüht – Naturgarten“ zu erhalten, verzichten Gartenbesitzer unter anderem auf Pflanzenschutzmittel und chemisch-synthetischen Dünger und verwenden keine torfhaltigen Substrate zur Bodenverbesserung. Darüber hinaus setzen sich die Gartenbesitzer durch die Gestaltung von Naturgartenelementen und durch eine umweltfreundliche Bewirtschaftung aktiv für einen vielfältigen und belebten Haus- und Kleingarten ein.
Zertifizierte Gartenbesitzer dürfen ihren Gartenzaun mit der bayerischen Plakette schmücken.
Seit dem Start der Naturgartenzertifizierung im Jahr 2018 haben sich bayernweit bereits über 2 300 Gärten als ausgezeichneter Naturgarten zertifizieren lassen.
Seit dem Jahr 2021 können sich auch bayerische Kleingartenbesitzer und ganze Kleingartenanlagen über den Landesverband Bayerischer Kleingärtner (LBK) als Naturgarten zertifizieren lassen. Mittlerweile wurden ca. 300 Kleingärten zertifiziert. Zwei Kleingartenanlagen aus Oberbayern wurden zusätzlich mit der Gold-Plakette „Bayern blüht – Naturgarten“ ausgezeichnet, da über 90 % der Gärten dieser Kleingartenanlagen eine Naturgartenzertifizierung besitzen.
Weiterführende Hinweise zum „Naturgarten – Bayern blüht“ finden Sie hier.